Mein Name ist Kurt Franke. Ich habe an der Ludwig-Maximilians-Universität München Philosophie und Psychologie studiert und bin von Beruf Diplom-Psychologe. Ich komme aus der Klinischen Psychologie: dem Bereich, in dem man sich damit beschäftigt, psychische Störungen und Krankheiten zu erforschen und behandeln.
Also beschäftigte ich mich eine Zeitlang damit, den Leuten zu helfen, ihre Probleme zu bewältigen. Und in der Tat bemerkte ich, dass es oft das war, was von mir erwartet wurde: „Ach du bist Psychologe! Ja, da hätte ich jemanden für dich.“ Mit anderen Worten, man dachte sich, dass irgendetwas mit irgendjemandem nicht stimmte und dass ich der richtige Mann sein könnte, um mich damit zu befassen. Es war die Rolle des Psychiaters aus Hollywood-Filmen, die man mir gerne zudachte.
Doch das war nicht meine Welt. Natürlich halte ich es für ein Gebot sozialer Verantwortung, psychisch Kranken zu helfen – oder es wenigstens zu versuchen. Psychologen haben je nach „Schule“ Ideen darüber, welche Bedürfnisse Menschen haben. Und man kann Menschen helfen, indem man sie dabei unterstützt, mit ihren Bedürfnissen zurechtzukommen und ihre Ängste im Leben zu überwinden. Mein persönliches Interesse jedoch galt von jeher dem „anderen Ende des Spektrums“. Mir ging es darum, Leuten zu helfen, ihre Fähigkeiten zu verbessern oder wiederherzustellen. Mir geht es nicht um „Psychotherapie“, sondern „Psychologie“.
Ich sah, dass sich das ganze Leben um verstehen dreht. Das Kind möchte verstehen, wie man die Mathematikaufgabe löst. Die Hausfrau möchte verstehen, wie man die Rotweinflecken aus dem Teppichboden bekommt. Und der Automechaniker möchte wissen, warum das Auto nicht anspringt. Verstehen ist der Weg zu Wissen. Und Wissen ist die Grundlage von Fähigkeiten – letztlich der Fähigkeit glücklich zu sein. Also wollte ich Leuten helfen, ihr psychisches „Equipment“ kennenzulernen und damit umzugehen.
Dabei fiel mir aber auf, dass die Psychologie (die „Lehre von der Seele“) die einzige Wissenschaft ist, die bislang keinen Forschungs- und Anwendungsgegenstand hat. Die Biologie (die „Lehre vom Leben“) beschäftigt sich mit Lebewesen: Pflanzen und Tieren, die Medizin mit dem menschlichen Körper, die Kardiologie mit dem Herzen desselben. Das sind klar definierte „Forschungs- und Anwendungsgegenstände“. Die Psychologie jedoch kennt dergleichen nicht und glaubt auch, ohne sie auskommen zu können.
In der Tat machten die modernen Naturwissenschaften enorme Fortschritte, indem sie sich allein mit objektiv beobachtbaren Dingen, wie in der Natur wirkenden Kräften und damit verbundenen Stoffen, beschäftigte – wobei mit „objektiv beobachtbar“ gemeint ist, dass Dinge von mindestens zwei externen Beobachtern beobachtbar sein müssen. Auch die Psychologen schlossen sich diesem bislang so erfolgreichen Weg an – wobei sie aber übersahen, dass jegliches Erleben nur „von innen“ und nur für den „Inhaber des Systems“ beobachtet werden kann. Und so wurde die Psychologie, die „Lehre von der Seele“, zu einer „Psychologie ohne Seele“: zu einer Art Verhaltenswissenschaft. Aristoteles würde sich wundern. Er betrachtete die Psychologie einst als „Königin der Wissenschaften“.
Es ist sehr wohl bekannt, dass es Unterschiede zwischen belebter und unbelebter Natur gibt. Lebewesen sind im Unterschied zu Steinen in der Lage, sich spontan (aus eigenem Antrieb) fortzubewegen, sie verfügen über einen eigenen Stoffwechsel, ein eigenes Fortpflanzungssystem – und vor allem Bewusstsein.
Es gibt eine Menge an Literatur darüber in der Psychologie. Und in der Tat scheint das Bewusstsein des Lebewesens oft als Epiphänomen (beiläufiges Phänomen) des Organs betrachtet zu werden, das am meisten damit zu tun hat: des Gehirns. Das menschliche Gehirn ist in der Lage, zwischen Wach- und Schlafbewusstsein zu modulieren. Zusätzlich regulieren Mitochondrien (die kleinen „Kraftwerke“ des Körpers) ständig die Intensität des Erlebens. Aber das Gehirn wird üblicherweise völlig überschätzt. Träger des Bewusstseins ist offensichtlich etwas anderes. Nennen wir es die Seele. („Mentalen Energiekörper“ nannte ich sie anfangs, bevor ich bemerkte, dass das schon immer ihre Funktion war.) Ohne Gehirn kein tierisches oder menschliches Bewusstsein. Aber ohne Seele kein funktionierendes Gehirn.
Daher wird niemand jemals verstehen, wer oder was der Mensch ist, solange er ihn als singuläres (einzelnes) System betrachtet. Der Mensch ist wie jedes Lebewesen zunächst ein duales System, bestehend aus Seele plus Körper – wie es all unsere Mythen und Religionen von jeher gesagt haben.
„Der Seele Grenzen wirst du nicht finden, welche Wege du auch immer gehen magst“, schrieb einst Heraklit. Doch die Wissenschaften sind seither vorangekommen. Und die Chancen stehen heute besser denn je, sie zu verstehen.
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